Die bisherigen HIV-Therapiemethoden beschränken sich weiterhin vor allem auf die antiretrovirale Therapie (ART), welche die Krankheit allerdings nur in Ihrem Fortschreiten hindert und nicht zu einer Heilung des Virus führt. Weiterreichend sind auch lebenslange tägliche Therapietreue, hohes Neben- und Wechselwirkungspotenzial der Arzneimittel, als auch die Resistenzentwicklung eine hohe Belastung für die Patienten, was die Entwicklung neuer Therapiemethoden so wichtig macht. Bei einem dieser neueren und durchaus vielversprechenden Ansätze handelt es sich um breit-neutralisierende Antikörper, welche sowohl in der Therapie, zur Prävention und auch als eventuelle Heilmethode eingesetzt werden könnte.
Was die Therapie und eventuelle Heilung von HIV so schwierig macht sind zum einen die Fähigkeit des Virus in Zellen des körpereigenen Abwehrsystems (CD4+ Zellen) einzudringen und damit sich der Ausrottung zu entziehen. Auch verfügt HIV durch seine hohe genetische Vielfalt und die hohe Mutationsrate eine große Anzahl an unterschiedlichen Virusstämmen, welche alle über verschiedene Sensibilitäten, aber auch Resistenzen verfügen, was ein Hindernis für eine flächendeckende, einheitliche Therapie darstellt. Letztlich verfügt das Virus selbst nur über eine wirkliche Angriffsstelle, nämlich das envelope spike Protein, welches für eine Neutralisation und damit einer direkten Elimination in Frage kommt, wodurch die benötigten Antikörper über ein breites und spezifisches Wirkspektrum verfügen müssen.
Breit- neutralisierende Antikörper, kurz bnAbs, sind ein Lösungsansatz für diese Probleme. Antikörper zu erzeugen, die eben diese weitreichenden Fähigkeiten besitzen, birgt seine eigenen Problematiken. Dabei entwickeln etwa 10-30% der langzeitig erkrankten HIV-Patienten im Laufe Ihrer Erkrankung Antikörper die ein breites Wirkspektrum aufweisen. Die Antikörper zu identifizieren und zu isolieren, welche auch für eine Therapie verschiedener anderer HIV-Stränge geeignet ist, ist dabei die entscheidende Aufgabe.
Die ersten Studien mit bnAbs aus der ersten Generation, welche aus den frühen 2000ern stammen, haben schon gezeigt, dass durch die Gabe von Antikörpern die Viruslast signifikant sinkt und die Therapie generell sehr gut vertragen wird. Die Probleme dieser ersten Studien waren allerdings, dass es nach einer bestimmten Zeit sowohl zu einem Entgleisen der Viruslast, als auch zu vielen Resistenzentwicklungen gekommen ist, wodurch diese Methode für mehrere Jahre nicht weiter verfolgt wurde.
Durch Weiterentwicklung von Isolation und auch besserem Verständnis der Struktur und Wirkmöglichkeiten von Antikörpern wurde auch der Weg für neue bnAbs geebnet. Die zweite Generation der breit-neutralisierenden Antikörper, welche sowohl intravenös, subkutan als auch intramuskulär getestet wurden, wurde dabei weitreichend als sicher und gut verträglich deklariert. Die wesentlichen Nebenwirkungen waren dabei eher mild und vor allem mit dem Verabreichungsweg assoziiert, wobei es vornehmlich zu kurzzeitigen Schmerzen an der Einstichstelle kommt. Auch bei nicht-Infizierten führt die Injektion zu keinen weiteren Nebenwirkungen und weder hier noch bei HIV-positiven Patienten ist eine Bildung von Anti-Antikörpern gegen die bnAbs zu beobachten gewesen.
Neuste Studien, die auf der diesjährigen HIV-Konferenz in San Francisco vorgestellt wurden, beleuchten nochmals die Möglichkeiten von bnAbs. Hierbei ist in einer Studie bei 20% der Patienten die bnAbs erhalten haben, die Viruslast in einem Zeitraum von über einem Jahr undetektierbar gewesen und damit die Patienten als nicht infektiös zu deklarieren. Eine der Patientinnen ist sogar seit 2,5 Jahren nur noch mit bnAbs therapiert. In einer anderen Studie aus dem vereinigten Königreich konnte auch gezeigt werden, dass 75% der Teilnehmer nach 20 Wochen keinen Rebound aufwiesen und nach erneuter Gabe nach 20 Wochen ein guter Teil der Patienten über einen Zeitraum von einem Jahr weiterhin eine kontrollierte Therapie aufwiesen. In seltenen Fällen haben Patienten, die mit bnAbs therapiert werden das Virus seit inzwischen 7 Jahren unter Kontrolle, ohne dass die nochmals auf andere Therapien umsteigen mussten.
Damit bnAbs die derzeitige antivirale Therapie ersetzten können, sind allerdings noch viele Hindernisse zu überwinden. Einerseits müssen Antikörper generiert werden, die eine verlängerte Stabilität aufweisen, damit diese in verlängerten Intervallen verabreicht werden können. Auch muss herausgefunden werden, wie genau die Prozesse ablaufen, die bei manchen Patienten zu einer dauerhaften Virussuppression führen. Neuere zukünftige Therapien, können dann basierend auf diesen Erkenntnissen entwickelt werden, um dann eine flächendeckende Therapieoption darzustellen, die einer innovativen und unkomplizierteren Therapie von HIV einen Schritt näher kommt.
Quelle: www.hivandmore.de/archiv/2020-1/hiv-1-kontrolle-durch-breit-neutralisierende-antikoerper.shtml; www.esanum.de/fachbereichsseite-immunologie/feeds/immunologie/blogs/immunologie-blog/feeds/today/posts/hiv-1-kontrolle-trotz-therapieunterbrechung-breit-neutralisierende-antikoerper-bnabs-gegen-hiv-1; //www.mdpi.com/2073-4468/13/2/28; www.science.org/content/article/new-antibody-studies-boost-hope-hiv-cure