Seit Dezember 2020 steht die Kombination von Cabotegravir (CAB) und Rilpivirin (RPV) zur dualen Injektionstherapie für die Behandlung von HIV-1-Infektionen in Europa zur Verfügung. Dabei unterscheidet man zwischen dem in Deutschland praktisch bedeutungslosen einmonatlichen und dem zweimonatlichen Dosierschema, auch „Long Acting (LA)“ genannt. 

Voraussetzung für den neuen Therapieansatz ist eine stabile Unterdrückung des HI-Virus durch eine aktuelle Therapie, bei der keinerlei Anzeichen einer Resistenz auftreten, sowie kein virologisches Versagen durch vorangegangene Therapie beobachtet wurde. Der Umstieg von der oralen antiretroviralen Therapie (ART) auf die Long Acting-Therapie erfolgt dabei meist durch eine orale Einleitungsphase, gefolgt von zwei Initiierungsinjektionen in zwei aufeinanderfolgenden Monaten. Es kommen zwei verschiedene Schemata für die Erhaltungsdosen in Betracht. Beim einmonatlichen Dosierungsschema werden 400 mg CAB + 600 mg RPV verabreicht, beim zweimonatlichen Schema 600 mg CAB + 900 mg RPV. Die Auswertungen zeigen, dass über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren hinweg, ausschließlich das zweimonatliche Dosierungsschema verordnet wurde. Insgesamt konnte von Mitte 2021 bis Anfang 2023 eine stetige Zunahme der LA-behandelten HIV-Patienten beobachtet werden. 

Im ersten Quartal dieses Jahres gab es durchschnittlich 1230 HIV-Patienten mit LA unter gesetzlicher Krankenversicherung. Dabei konnten die Therapiekosten über den gesamten Zeitraum um mehr als 2000 Euro gesenkt werden. Besonders hoch waren die LA Verordnungen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg. Trotz der stetigen Zunahme der LA-behandelten HIV-Patienten sind dies dennoch nur ca. 1,5% der vermuteten Gesamtmenge an Menschen unter HIV-Therapie in Deutschland. Für den relativ gesehen langsamen Anstieg kann es diverse Gründe geben. Zum einen ist die klinische Forschung auf diesem Gebiet erst noch am Anfang, sodass die alt bewährte orale Antiretrovirale Therapie z.B. in den Punkten Arzneimittelsicherheit oder möglichen Resistenzentwicklungen noch immer überlegen scheint. Zum anderen handelt es sich bei der LA-Therapie um eine etwas kompliziertere Applikationsform (intramuskulär), die im Vorhinein gut geplant werden muss, da die Injektionen nur um eine Woche plus/minus verschoben werden können und nur von medizinischem Fachpersonal mit LA-Erfahrung durchgeführt werden dürfen. Somit sind die Patienten hier noch an HIV-Schwerpunktpraxen gebunden und man muss auf ein gutes Zeitmanagement achten. 

Daraus ergeben sich auch insgesamt höhere Zuzahlungen in der Apotheke, da die Praxen nun alle zwei Monate statt alle drei Monate Rezepte verordnen. Zukünftig könnte die selbstständige intramuskuläre Applikation in den Oberschenkel für geschulte Patienten hier Abhilfe schaffen. Die Arzneimittel zur Injektion müssen außerdem ununterbrochen gekühlt werden, was Spontanbesuche für die Betroffenen erschwert und generell fehleranfälliger ist. Außerdem besteht bei einem ungeplanten Therapiestopp die Gefahr eines Rebound-Effektes bzw. einer Resistenzentwicklung. Dem kann allerdings mit einer überbrückenden oralen Therapiefortführung entgegengewirkt werden. Eine weitere Hürde stellt das sogenannte „Dispensierrecht“ dar, wodurch eine Lagerung der Arzneimittel in der Praxis nicht möglich ist und die Arzneimittel zuvor in einer Apotheke besorgt werden müssen.

Nun bleibt abzuwarten, wie sich die Verordnungszahlen der LA-Therapie weiterhin entwickeln werden. Zukünftig wäre diese Therapieform auch als Prä-Expositions prophylaxe (PrEP) denkbar.

Quelle: Epidemiologisches Bulletin, 25/2023, „Long Acting-Therapie für die Behandlung von HIV-Infektionen in Deutschland“, Robert Koch Institut

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