Die Präexpositionsprophylaxe, abgekürzt PrEP, dient der Vorbeugung einer HIV-Infektion bei bestehendem Risikokontakt. Aktuell kommen Tabletten mit der Wirkstoffkombination Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil zum Einsatz mit dem Handelsnamen Truvada® und Generika. Man unterscheidet zwischen der täglichen PrEP, die dauerhaft, und der PrEP bei Bedarf, die nur kurzzeitig bei Risikokontakten durch Geschlechtsverkehr angewendet wird. 

Im Rahmen der täglichen PrEP wird täglich zur selben Zeit eine Tablette eingenommen. Der Schutz bei Männern tritt zwei Tage nach Beginn der Einnahme ein, während Frauen nach einer Woche der Einnahme geschützt sind. Sollte der Risiko-Geschlechtsverkehr an einem bestimmten Tag geplant sein, kann die PrEP auch nur kurzzeitig angewendet werden. Hierfür sollten mindestens zwei bis am besten 24h vor dem Geschlechtsverkehr zwei Tabletten eingenommen werden. 24h und 48h nach der ersten Einnahme soll die Einnahme von je einer einzelnen Tablette erfolgen. Insgesamt müssen also mindestens vier Tabletten für einen Schutz eingenommen werden. Die aktuelle Präexpositionsprophylaxe bietet eine große Sicherheit, doch ist eine gewissenhafte und konsequente Tabletteneinnahme ohne Unterbrechungen essenziell. Es können schnell Einnahmefehler auftreten, wie beispielsweise das Vergessen von einer oder von mehreren Tabletten.

Als neue PrEP-Option, v.a. für Patienten der dauerhaften PrEP, kam der Kapsid-Inhibitor Lenacapavir vom US-amerikanischen Hersteller Gilead, welcher unter die Haut gespritzt wird, in einigen Ländern auf den Markt. Ein großer Vorteil ist seine sehr hohe Wirkdauer, wodurch eine Injektion beim Arzt nur alle sechs Monate, also zweimal jährlich, erfolgen muss. Dies führt einerseits zu einer großen Erleichterung der Therapie, da nicht jeden Tag eine Tabletteneinnahme erfolgen muss. Des Weiteren ist die Gefahr von Einnahmefehlern verringert, was zu einer erhöhten Therapiesicherheit und als Resultat auch zu einem Sinken der Ansteckungs-Wahrscheinlichkeit führt. Mehrere Studien stützen diese Thesen. 

So konnte die PURPOSE-1-Studie zeigen, dass bei sexuell aktiven Cisgender-Frauen in Uganda das Risiko einer HIV-Infektion bei Lenacapavir-Gabe gegenüber einer täglichen Einnahme der aktuellen PrEP stark verringert werden kann. Während es bei Lenacapavir innerhalb von zwei Jahren zu keiner einzigen Infektion bei den Frauen kam, gab es bei der Emtricitabin/Tenofovir-Gruppe 59 Neuinfektionen. Dies ist durch die teils mangelhafte Therapietreue der Emtricitabin/Tenofovir-Gruppe zu erklären. In der folgenden PURPOSE-2-Studie wurden Cisgender- und Transgender-Männer, Transgender-Frauen und nicht-binäre Personen ab 16 Jahren eingeschlossen, die Sex mit männlichen Patienten haben. Eine Gruppe wurde wieder mit Lenacapavir behandelt, die andere Gruppe mit der Emtricitabin/Tenofovir-Kombination. In der Lenacapavir-Gruppe, die aus 2180 Patienten bestand, kam es zu zwei Neuinfektionen. Bei der Emtricitabin/Tenofovir-Gruppe, die aus nur 1086 Patienten bestand, kam es dagegen zu neun Neuinfektionen. Nach dieser Studie ist also das Risiko einer Ansteckung schon mit der aktuellen PrEP sehr stark erniedrigt, aber durch Lenacapavir kann es gegenüber der aktuellen PrEP um das Neunfache weiter gesenkt werden.

Trotz der Vorteile einer Lenacapavir-PrEP wird es in nächster Zeit vermutlich nicht zu einem Erscheinen des Präparates auf dem deutschen Markt kommen. In den USA kostet eine Lenacapavir-PrEP momentan über $40.000 pro Person pro Jahr. Im Vergleich dazu kosten andere PrEP-Medikationen ca. 600-700€ im Jahr. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet in Deutschland über Richtlinien zur Gesundheitsversorgung und bestimmt, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Aktuell entscheidet sich Gilead gegen eine Markteinführung in Deutschland, da die Krankenkasse die Kosten einer Lenacapavir-PrEP wegen der hohen Kostendifferenz zu den aktuellen PrEP-Schemata vermutlich nicht tragen würden. 

Quelle: www.hivandmore.de/hiv-prep/; www.pharmazeutische-zeitung.de/100-prozent-wirksam-zum-schutz-vor-hiv-148943/seite/alle/?; www.pharmazeutische-zeitung.de/neue-positive-daten-zu-lenacapavir-150059/; www.dw.com/de/hiv-medikament-lenacapavir-unglaublich-sicher-und-teuer/a-70901806; www.hivandmore.de/archiv/2023-2/warum-lenacapavir-nicht-auf-den-deutschen-markt-kommt.shtml