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Die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) hat die Empfehlung für einen Dapavirin-haltigen Vaginalring außerhalb der EU ausgesprochen. Dies gilt für HIV-negative Frauen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, die vaginalen Geschlechtsverkehr praktizieren.

Ein besonderes Augenmerk liegt hier bei Frauen, die südlich der Sahara leben, da diese oft nicht mit den benötigten PrEP Medikamenten versorgt werden können.

Obwohl der Vaginalring erst nach 28 Tagen ausgetauscht werden muss, ist das konstante Tragen sehr wichtig. Drei Stunden nach dem Einsetzen konnte Dapavirin nicht nur im Blut, sondern auch in der Muttermilch nachgewiesen werden. Allerdings ist die nachgewiesene Menge extrem gering gewesen. Bei einem sechs Monate alten Neugeborenen von ca. acht Kilogramm Körpergewicht wurde die Menge auf 600 Nanogramm geschätzt.

Abschließend kann man sagen, dass der Dapavirin Vaginalring eine sehr gute Alternative zur PrEP darstellt falls diese nicht verfügbar sein sollte. Er ist sehr diskret und erfordert keine tägliche und pünktliche Einnahme von Tabletten. Der Ring wird selbstständig von den Frauen eingesetzt und kann somit auch einfach entfernt werden. Bei stillenden Frauen ist die nachgewiesene Menge an Wirkstoff in der Muttermilch zwar sehr gering gewesen, dennoch sollte man es mit Vorsicht betrachten und Rücksprachen mit dem Arzt halten.

Quelle: Apotheke adhoc – „Dapavirin: HIV-Prävention für Frauen“; www.apotheke-adhoc.de//nachrichten/detail/pharmazie/dapivirin-hiv-praevention-fuer-frauen-zulassungsempfehlung-fuer-vaginalring/

Bereits im Januar 2020 hat der Gemeinsame Bundesauschuss den Wirkstoff Tenofoviralafenamid (oft mit TAF abgekürzt) als pharmakologisch-therapeutische gleichwertig mit anderen Vertretern der Gruppe Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) bewertet und mit Wirkung zum 01.10.20 in diese Festbetragsgruppe wie anderer Fixkombinationen zweier NRTIs eingeordnet.

Zum Verständnis: die Gruppe der NRTIs stellt in vielen gängigen antiretroviralen Therapie den sogenannten Backbone der Therapie dar. Es handelt sich zumeist um eine Kombination von in der Regel zwei NRTIs. In vielen Single-Tablet-Regimen (HIV-Therapie besteht nur aus einer einzelnen Kombinationstablette) ist diese NRTI-Kombi bereits inkludiert. Es gibt den NRTI-Backbone allerdings auch als Einzelpräparat. Ein Beispiel dafür ist das Medikament Descovy® der Firma Gilead®. Es enthält die Wirkstoffe Tenofoviralafenamid und Emtricitabin.

Seit das Medikament Descovy® zugelassen wurde, galt es als innovativ. Es wurde als ‘nierenschonend‘ bezeichnet und ein gewisser Zusatznutzen angenommen.  Durch den anhaltenden Patentschutz gibt es noch keine Descovy®-Generika. Bislang wurde das Präparat von den Krankenkassen voll erstattet. Durch die Einordnung in die bestehende Festbetragsgruppe für NRTI-Kombinationen wird die Krankenkasse in Zukunft für Descovy® nur noch einen fixen Betrag erstatten. Der Hersteller Gilead hat den Abgabepreis für Descovy® nicht angepasst oder gesenkt.

Da der GKV-Spitzenverband und Gilead® sich in den Preisverhandlungen nicht einigen konnten, kamen zum Zeitpunkt des Urteils (August ´20) neben der gesetzlichen Zuzahlung Mehrkosten  bis zu 205,06 Euro auf die Patienten zu.

Dies bedeutet, dass alle gesetzlich Versicherten auf ein anderes Präparat umgestellt werden müssten. Um das zu umgehen hat der Hersteller versucht diese Mehrkosten durch den Abschluss von Einzel- bzw. Rabattverträgen mit den entsprechenden gesetzlichen Krankenkassen zu regeln. Leider kam es nicht bei allen Krankenkassen zu einer Einigung.

Quelle: hivandmore Rabattverträge für Descovy, Pressemitteilung Gilead, eigene Daten, Stand 01.10.2020

Die Firma Gilead® Sciences forscht derzeit an einem neuen aussichtsreichen antiretroviralen Wirkstoffkandidanten. Es handelt sich um den Arzneistoff Lenacapavir. Das Molekül trägt auch die firmeninterne Bezeichnung GS-6207. Das Besondere an diesem Wirkstoff ist seine innovative Wirkweise bzw. sein Angriffspunkt bei HIV. Denn die meisten etablierten antiretroviralen Wirkstoffe hemmen bzw. blockieren in der Regel Funktionsproteine, also spezifische Enzyme, die das Virus für seine Vermehrung in menschlichen Zellen benötigt. Als Beispiele seien hier genannt: Protease, Reverse-Transkriptase oder Integrase. Lenacapavir hat hingegen ein Strukturprotein des Virus zum Ziel: das Viruskapsid.

Das HI-Virus gehört zur Gruppe der umhüllten Viren. Das heißt, es besitzt eine äußere Proteinkapsel, welche das Viruserbgut schützend umgibt. Darüber hinaus ist ohne das Kapsid ein Zusammenbau neu gebildeter Virusbestandteile schlicht nicht mehr möglich. Der neue Wirkstoff Lenacapavir bindet nun die Monomere, aus denen das HIV-Kapsid aufgebaut ist, und stört so dessen Funktion.

Darüber hinaus zeigt der neue Wirkstoffkandidat pharmakokinetisch interessante und vorteilhafte Eigenschaften, die einen Einsatz als sogenanntes long-acting agent ermöglichen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Tabletten, die als täglicher Wirkstoffcocktail geschluckt werden müssen, wird GS-6207 unter die Haut gespritzt.

Chemisch gesehen wurde Lenacapavir derart konzipiert, dass der Wirkstoff maximal dauerhaft stabil bleibt. Ein ringförmig-molekularer Aufbau mit zahlreichen chemischen Bindungen gewährleistet eine extrem lange Halbwertzeit im menschlichen Körper. Der Arzneistoff ist durch körpereigene Stoffwechselenzyme schwer spalt- bzw. abbaubar. Daraus resultiert eine Halbwertzeit von 5 Wochen, womit der Wirkstoff tatsächlich ein halbes Jahr im Körper aktiv bleibt und theoretisch nur zweimal im Jahr verabreicht werden muss. Lenacapavir wirkt dabei noch im pikomolaren Bereich, also in Konzentrationen von einem Billionstel Mol, und ist somit deutlich wirksamer als andere antiretrovirale Arzneistoffe. Ganz allein kann der neue Wirkstoff allerdings nicht verabreicht werden. Wie die verfügbarbaren Daten zeigen, wird Lenacapavir genauso wie alle anderen Anti-HIV-Wirkstoffe zwingend Kombinationspartner brauchen, um das Virus dauerhaft in Schach zu halten.

Der neue Wirkstoff wurde sowohl an gesunden Probanden als auch an kleineren Kollektiven therapienaiver HIV-positiver Patienten in klinischen Studien getestet. Die Viruslast wurde dabei schnell und erheblich gesenkt. Auch in puncto Verträglichkeit konnte die neue Behandlung überzeugen. Die für subkutane Injektionen möglichen lokalen Unverträglichkeiten in Form von Rötungen und Schmerzen an der Einstichstelle waren allerdings nur von geringem Schweregrad und nach ein paar Tagen wieder verschwunden.

Auch in der heutigen Zeit, in der mit der hochaktiven antiretroviralen Therapie bereits eine Vielzahl von effektiven Medikamenten zur Verfügung stehen, ist die kontinuierliche Suche nach neuen Targets und Wirkmechanismen wichtig. Denn die Gefahr von Resistenzen bleibt weiterhin real, da das HI-Virus extrem wandlungsfähig ist. Dadurch dass es in seiner Vermehrung zu vielen genetischen ‘Fehlern‘ kommt, könnte es irgendwann unempfindlich auf bekannte Medikamente reagieren. Um vorbereitet zu sein, brauchen wir medikamentöse bzw. therapeutische Innovationen.

Zu Recht hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA die Forschung an Lenacapavir als sogenannte „breakthrough therapy“ eingestuft und dessen Entwicklung und Prüfung beschleunigt. Die Wissenschaft setzt große Hoffnungen in den neuen Wirkstoff.

Den wenigen Nachteilen - muss gespritzt - hohe Kosten, Einsatz in Entwicklungsländern wahrscheinlich schwierig), stehen immensen Vorteile gegenüber - hohe Wirksamkeit, lange Verweildauer, einfache Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen und keine starken Nebenwirkungen.  

Quelle:  www.spektrum.de/news/; www.apotheke-adhoc./news

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