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Zum 04. Oktober 2024 hat das Robert-Koch-Institut seinen HIV-Jahresbericht 2023 veröffentlicht. In ihm werden die Neuinfektionszahlen und Meldedaten herausgegeben. Diese sind als Ergänzung zu der im Juli 2024 herausgegeben HIV-Analyse zu sehen.
Ende 2023 schätzt das RKI die Zahl der Menschen, die in Deutschland mit HIV leben, auf 96.700. Davon werden ca. 91 % antiretroviral therapiert. Unter den Diagnostizierten liegt der Anteil allerdings bei 99 %. Die Anzahl der Neuinfektionen 2023 beträgt 2.799 und ist damit gegenüber dem Vorjahr 10 % höher. Das RKI schließt bei diesen Zahlen Menschen mit HIV mit der Angabe des Herkunftslandes Ukraine aus. Es wird somit die epidemiologische Dynamik in Deutschland abgebildet, da es anzunehmen ist, dass es sich bei den meisten HIV-Diagnosen bei Geflüchteten nicht um tatsächliche Neudiagnosen handelt, sondern nur um den erstmaligen Nachweis der HIV-Infektion in Deutschland. Das RKI bezieht dies in die Statistik mit ein und veröffentlicht daher eine separate Statistik bei der Geflüchtete mit einbezogen werden.
Die an der stärksten betroffenen Gruppe ist nach wie vor Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). 2023 haben sich 1.010 MSM mit HIV infiziert. Das ist ein Rückgang um 17 Neuinfektionen gegenüber dem Vorjahr und stellt damit kaum eine Veränderung dar. Seit 2014 ist damit der Trend von sinkenden Neuinfektionen fortgesetzt worden, scheint aber seit den letzten Jahren ein Plateau zu erreichen. Neuinfektionen, die sich auf heterosexuellen Kontakt zurückführen lassen, stiegen von 131 auf 674, was einen Anstieg um 24 % bedeutet. 71% der Infizierten sind Frauen, 29% sind Männer. Neuinfektionen bei Personen, die sich durch intravenösen Drogenkonsum infizierten, blieben im Jahr 2023 unverändert bei 165.
Zusätzlich zu den HIV-Infektionszahlen hat das RKI Ende November die Ergebnisse der PrEP-Versorgungs-Studie herausgegeben. In dieser werden Befragungen zu Gebrauch und Versorgung mit der HIV-PrEP in deutschen HIV-Schwerpunktzentren der dägna e.V. (Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV Medizin) durchgeführt.
Im Befragungszeitraum 10/23 – 12/23 wurden etwa 85.000 Personen eingeschlossen. Davon nutzten 16 % die PrEP, ein Drittel aller PrEP-Nutzenden waren damit in einem der Berfragungszentren vertreten. Insgesamt gab es Ende 2023 rund 40.000 PrEP-Nutzende. Die tägliche PrEP-Einnahme wurde von zwei Dritteln bevorzugt, 22 % wendeten die PrEP anlassbezogen an und 12 % wechseln zwischen täglicher Nutzung und Pausen.
Fazit:
Die 95-95-95-Ziele von UNAIDS sind ist Deutschland fast erreicht. Sie schreiben vor, dass 95 % der HIV-Infizierten diagnostiziert sind, 95 % davon eine antiretrovirale Therapie (ART) erhalten, und bei 95 % auch keine Viruslast mehr nachweisbar ist. Die letzten zwei Ziele sind in Deutschland schon erreicht. 99 % der Diagnostizierten erhalten eine ART und bei 96 % der Therapierten ist das HI-Virus nicht mehr nachweisbar. Lediglich bei der Diagnose hinkt Deutschland etwas hinterher. Es sind nur 92 % der Infizierten auch diagnostiziert. Es gilt weiterhin Aufklärungs- und Testangebote auszubauen sowie den Zugang der PrEP für noch mehr Personen zu ermöglichen..
Quelle: Epidemiologisches Bulletin 48/2024: Surveillance der HIV-PrEP-Versorgung; Epidemiologisches Bulletin 40/2024: HIV-Jahresbericht 2023; Epidemiologisches Bulletin 28/2024: Schätzung der Anzahl der HIV-Neuinfektionen in den Jahren 2022/23 sowie der Gesamtzahl der Menschen, die Ende 2023 mit HIV in Deutschland leben; www.aidshilfe.de/hiv-statistik-deutschland-weltweit
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Durch jahrelange Forschung ist es heute möglich, HIV in den meisten Fällen gut zu behandeln, jedoch sind die Chancen auf eine Heilung verschwindend gering. So konnten bis jetzt nur weniger als 10 HIV-Erkrankte geheilt werden. Umso erfreulicher ist es wenn neue Fälle dazu kommen. So ein Fall konnte nun an der Berliner Charité verzeichnet werden. Er ist nun schon der zweite Patient der Charité bei dem eine Heilung gelang, der weltweit erste Erfolg einer HIV-Heilung konnte dort 2008 gefeiert werden.
Hintergründe der bisherigen Heilungserfolge
Durch die Entdeckung einer Genmutation, welche bei weniger als ein Prozent der europäisch-stämmigen Bevölkerung auftritt, konnten Therapieansätze für die Heilung von HIV entwickelt werden.
Dieser Mutation liegt zugrunde, dass HI-Viren eine Andockstelle (CCR5-Rezeptor) benötigen um in die Wirtszelle eindringen zu können. Bei den Menschen die immun gegen HIV sind liegt eine Mutation im Gen des Rezeptors vor, wodurch eine Infektion verhindert wird.
Dieses Prinzip half auch bei der ersten Heilung des HI-Virus. So bekam der Patient aufgrund seine Leukämieerkrankung eine Stammzellspende von einem HIV-immunen Spender welcher diese Mutation in sich trägt. Solch einen Spender zu fi nden ist jedoch ein seltener Glückfall.
Hoffnungsfall
Bei dem jetzigen Fall handelt es sich um einen 60-jährigen HIV-Patient. Er bekam ebenso wie der erste HIV-Geheilte wegen seiner Leukämie eine Stammzellspende. Das ungewöhnliche in diesem Fall ist jedoch, dass die Spenderin nicht immun gegen HIV war. Sie trägt aber von jedem Elternteil eine Variante in sich. Sowohl die normale Variante als auch die mutierten CCR5-Rezeptoren, welche verhindern, dass die Vieren in die Zelle gelangen. Ein bis jetzt unbekannter Mechanismus hat hier zum Therapieerfolg geführt. Der Mann ist nun seit mehr als 5 Jahren Virus frei und es tauchten auch keine Krebszellen mehr auf.
Solch einen ungewöhnlichen Therapieerfolg konnte auch bei einem Patienten aus Genf erzielt werden. Dieser bekam eine Knochen-markspende bei welcher auch keine resistenten Immunzellen transplantiert wurden. Diese Fälle werfen neue Fragen nach den Hintergründen auf und geben der Forschung Anreize für neue Therapieansätze.
Suche nach Erklärungen und neuen Therapieansätzen
Für die Forschenden ist noch unklar wie genau es bei dem Fall zu Therapieerfolg kam. Sie vermuten, dass der Austausch der HIV-tragenden Immunzellen des Patienten, durch die HIV-freien Immunzellen der Spenderin zur Heilung geführt hat. Diese haben wohl die Virusverstecke aus dem Körper beseitigt. Diese schlafende Gefahr gilt es ausfindig zu machen, die Frage ist nun, wie haben es die Immunzellen dieser Spenderin geschafft?
Neue Therapieansätze wollen dies nun herausfinden. In vielen neuen Studien versuchen Forschende nun mit einer antikörperbasierten Immuntherapie zuerst die versteckten Viren aufzuwecken und im nächsten Schritt, dann die sich neu bildenden Viren abzufangen. Einer der sich dieser Forschung widmet, ist der HIV-Forscher Christian Gaebler der Charité. Sein Projekt HIV CURE MISSION wird nun auch von dem Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert mit rund 1,5 Millionen Euro. Er betrachtet zwei Gruppen, zum einen die Heilungsfälle die durch eine Stammzelltransplantation gelangen, aber auch die Fälle bei denen das Virus noch nachweisbar ist jedoch vom Immunsystem unterdrückt wird. Hier wird von keiner Heilung, sondern einer Remission gesprochen. Solche Fälle traten unter anderem nach den besagten Antikörpertherapien auf, welche es auch schaffen die Zahl der Virusverstecke zu reduzieren.
Dass die Heilung über Stammzelltransplantationen Einzelfälle bleiben werden, muss uns bewusst sein. Denn diese Therapie ist immer mit einem hohen Risiko verbunden. Deswegen ist es umso erfreulicher zu hören, dass Menschen wie Christian Gaebler an unterschiedlichen Therapieansätzen forschen, welche uns in Zukunft nicht nur Einzelfall-Heilungen bringen sondern auch Therapien für eine breiter Masse ermöglichen.
Abschließend ist festzuhalten, dass jede neue Heilung ein weiterer Erfolg in dem Kampf gegen das Virus ist und sie geben uns Hoffnung für die Zukunft sowohl auf Seiten der Forschung als auch der Patienten.
Quelle: www.aerzteblatt.de/archiv/2553/Immun-gegen-HIV-Gendefekt-schuetzt-vor-der-Infektion; www.zdf.de/nachrichten/wissen/hiv-
therapie-heilung-stammzellen-charite-berlin-100.html; www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/hiv_heilung_an_der_chari-
te_der_zweite_berliner_patient/
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Die Suche nach einem wirksamen HIV-Impfstoff ist ein komplexes und langwieriges Unterfangen, das bereits seit mehr als 40 Jahren andauert. Trotz intensiver Forschung und über 600 potenziellen Impfstoffkandidaten, die sich in unterschiedlichen Phasen der Entwicklung befinden, hat bisher keiner die entscheidende Hürde der Phase-III-Studie erfolgreich gemeistert. Dies verdeutlicht die außergewöhnlichen Herausforderungen, die die Entwicklung eines HIV-Impfstoffs mit sich bringt.
Einer der Gründe für diese Schwierigkeiten liegt in den besonderen Eigenschaften des HI-Virus. HIV ist ein hochkomplexes Virus, das sich effizient an die Immunabwehr anpassen kann. Es besteht aus einer RNA-Nukleinsäure, die von einer Proteinhülle, dem Kapsid, und einer Virushülle umgeben ist. Ein entscheidendes Glykoprotein auf der Hülle des Virus, das gp120, spielt eine zentrale Rolle beim Eindringen in menschliche Zellen. In der Vergangenheit zielten
viele der frühen HIV-Impfstoffe darauf ab, das Immunsystem gegen dieses Glykoprotein zu trainieren. Doch HIV erwies sich als äußerst widerstandsfähig, da es in der Lage war, sich der Immunantwort zu entziehen und sich kontinuierlich anzupassen.
Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass neue Technologien wie mRNA-basierte Impfstoffe vielver-sprechend sein können. Ähnlich wie mRNA-Impfstoff e wird auch saRNA (selbstamplifi zierende RNA) als Grundlage für die Entwicklung von HIV-Impfstoff en erforscht. Der Vorteil von saRNA besteht darin, dass sie sich einmal in die Zelle eingeführt selbst vervielfältigen kann, ohne auf zelluläre Mechanismen angewiesen zu sein. (Im Unterschied zur mRNA, die nämlich auf zellulären Stoff wechsel angewiesen ist)
Das bedeutet, dass bereits kleine Mengen des Impfstoff s eine starke Immunantwort auslösen können. Dies könnte besonders hilfreich sein, um das Immunsystem zu trainieren, Antikörper gegen ein breites Spektrum von HIV-Varianten zu entwickeln.
Ein zentrales Ziel der saRNA-basierten Impfstoff entwicklung ist die Erzeugung von „broadly neutralizing antibodies“ (bnAbs), die eine Vielzahl von HIV-Stämmen neutralisieren können. Aufgrund der hohen Mutationsrate des Virus ist es entscheidend, dass ein Impfstoff Antikörper hervorruft, die gegen viele verschiedene Virusvarianten wirken. Diese bnAbs binden an konservierte Bereiche des HIV-Hüllproteins, die trotz der zahlreichen Mutationen stabil bleiben, und blockieren so das Eindringen des Virus in die menschlichen Zellen. In der HIV-Forschung spielen diese Antikörper eine wichtige Rolle, da sie eine vielversprechende Ergänzung zu antiretroviralen Therapien sein könnten.
Dennoch gibt es auch bei saRNA-Impfstoff en Herausforderungen. Erste Studien, wie etwa die von Moderna im Jahr 2022 durchgeführten Phase-I-Studien, zeigten, dass einige Teilnehmer Hautreaktionen wie Quaddeln und Juckreiz entwickelten. Diese Nebenwirkungen konnten jedoch mit klassischen Antiallergika behandelt werden. Es wird vermutet, dass diese Reaktionen eher mit der Formulierung des Impfstoff s als mit der saRNA selbst zusammenhängen.
Insgesamt bleibt die Entwicklung eines HIV-Impfstoff s eine herausfordernde, aber notwendige Aufgabe. Technologien wie saRNA und bnAbs bieten vielversprechende neue Ansätze, um den langjährigen Traum eines wirksamen HIV-Impfstoff s zu verwirklichen.Somit bleibt die Entwicklung eines wirksamen HIV-Impfstoff s eine große Herausforderung. HI-Viren haben eine extrem hohe Mutationsrate (Veränderungsrate) und zerstören die Zellen, die für eine langfristige Immunantwort notwendig sind. Trotz zahlreicher Studien mit tausenden von Teilnehmern konnte bisher kein Impfstoff den Durchbruch erzielen. Potenzielle Impfstoff e stehen zudem im Wettbewerb mit der bereits verfügbaren PrEP (Prä-Expositionsprophylaxe), die eff ektiv vor einer HIV-Infektion schützt.
Quelle: Pharmakon Ausgabe 4/2024 „ein Impfstoff gegen HIV/Aids zwischen Hoff nung und Wirklichkeit von Ilse Zündorf und Theo Dingermann
04/2024, Amboss Virustatika, Viren, HIV